Wenn Macht Räume schließt – wie Mediation sie wieder öffnet

Wenn Macht Räume schließt – wie Mediation sie wieder öffnet

Gedanken nach einem Abend mit Richard III. – über Enge, Macht und Verfahren.

Prolog – Ein Raum ohne Türen

Gestern Abend, in der Premiere von Richard III. im Wiener Akademietheater, saß ich in einem Raum, der sich sofort tief eingeprägt hat: ein verfliester, kühler, fast schlachthausartiger Kubus. Kein Blut – und doch überall präsent. Zumindest in meiner Vorstellung.

Dieser Raum wirkte wie ein System, das sich selbst versiegelt hat: steril, geschlossen, ohne sichtbaren Ausgang. Ein Ort, an dem Gewalt nicht gezeigt wird, sondern vorbereitet. Ein Setting, das nahelegt, wie Macht entsteht, wenn kein Korrektiv mehr wirksam ist.

Nicht die Brutalität der Taten erschütterte mich am meisten – sondern die Stille eines Systems, das keine Selbstunterbrechung mehr kennt. Wo niemand widerspricht. Wo kein Verfahren existiert, das Orientierung gibt. Wo Entscheidungen nicht mehr legitimiert, sondern erzwungen werden.

Und genau da, im verfliesten Raum dieser Inszenierung, begann für mich eine andere Frage aufzuleuchten:

Wie sähe dieser Abend aus, wenn es in diesem System ein Verfahren gäbe, das Räume öffnet statt sie zu verschließen? Wenn es Mediation gäbe?

I. Wenn Legitimation fehlt – eskaliert Macht

Shakespeare zeigt uns kein historisches Kuriosum, sondern ein Grundmuster sozialer Systeme: Konflikte eskalieren nicht, weil Menschen böse sind, sondern weil Legitimation fehlt.

In einem solchen Raum:

  • werden Fakten manipuliert (c-it¹)
  • bleiben innere Regungen ungesagt (c-me)
  • werden Beziehungen instrumentalisiert (c-us)
  • wird Gestaltung zu Zwang (c-it²)

Richard ist nicht Ursprung der Zerstörung – er ist das Produkt eines Systems ohne Verfahren, ohne Resonanz, ohne Gegenüber.

Das Entscheidende: Nicht der Machthaber bringt das System in die Enge. Die Enge bringt den Machthaber erst originär hervor.

II. Mediation als Gegenraum – ein Verfahren der Wieder-Legitimation

Mediation ist nicht das Gegenteil von Konflikt, sondern das Gegenteil von Systemen, die sich verschließen.

Sie schafft einen Gegenraum, in dem Legitimation wieder wachsen kann – nicht als moralische Kategorie, sondern als prozessuale Qualität.

Mediation ermöglicht drei Formen von Legitimität:

  1. Sachliche Legitimation (c-it¹) – Der Gegenstand wird wieder verhandelbar. – Fakten werden sichtbar, nicht verzerrt.
  2. Persönliche Legitimation (c-me) – Menschen dürfen „ich“ sagen, ohne dass es gegen sie verwendet wird. – Haltung wird reflektiert, nicht versteckt.
  3. Relationale Legitimation (c-us) – Beziehung wird dialogfähig. – Das Gegenüber wird nicht mehr als Bedrohung, sondern als Ressource erkennbar.

Aus dieser Dreifach-Legitimierung entsteht dann – und erst dann – Gestaltung (c-it²).

Mediation ist keine Beruhigungsmaßnahme. Sie ist ein Strukturangebot. Ein Verfahren der Wieder-Legitimation in Systemen, die ihre Orientierung verloren haben.

III. Die Prozesslogik des A_MMM – Input → Throughput → Output

Das Ad_Monter Meta Modell macht diese Dynamik sichtbar: Mediation ist ein Durchgangsprozess, keine Intervention auf einer Ebene.

1. Input – c-it¹: Der Gegenstand klärt sich

Alles beginnt damit, die Dinge zu benennen: Was ist beobachtbar? Was ist tatsächlich geschehen? Welche Struktur trägt das Problem?

Input ist der Moment, in dem ein verfliester Raum wieder Licht bekommt.

2. Throughput – c-me und c-us: Resonanzräume öffnen sich

Im Mittelpunkt steht die Bewegung zwischen Innen und Außen:

  • c-me: Das eigene Erleben wird hörbar.
  • c-us: Die Beziehung wird neu geordnet.

Hier entsteht die Qualität, die Richard III. so radikal verweigert bleibt: Selbstunterbrechung. Der Moment, in dem etwas anderes möglich wird als der nächste Schlag.

3. Output – c-it²: Zukunft wird verhandelbar

Die Gestaltungsebene (c-it²) ist nicht das Ergebnis eines Kompromisses, sondern das Resultat eines Systems, das wieder resonanzfähig geworden ist.

Output ist der Punkt, an dem Türen sichtbar werden, wo zuvor nur Fliesen waren.

Conclusio

Der Raum, der sich öffnet

Der verflieste Raum dieser Inszenierung zeigt, was geschieht, wenn ein System sich selbst einschließt. Mediation zeigt, was geschieht, wenn ein System sich wieder öffnen darf.

Macht erzeugt Enge. Verfahren erzeugen Räume. Mediation erzeugt Zukunft.

Dort, wo Systeme verstummen, braucht es Gespräch – damit aus einem Raum der Gewalt wieder ein Raum der Möglichkeit wird.