Gesprächskunst in der Mediation
Wir wollen hier die letzte Ausgabe der Sendung Im Gespräch von Renata Schmidtkunz – und die beeindruckende Sorgfalt ihrer Gesprächsführung – zum Anlass nehmen, über die Bedeutung des Gesprächs im Mediationsverfahren nachzudenken. Nicht, um ihre Arbeit ausführlich zu würdigen, sondern weil sich in ihrer Haltung etwas zeigt, das für jede professionelle Vermittlung zentral ist: ein Zuhören, das öffnet; ein Fragen, das nicht drängt; und eine Gesprächsform, die den Sinnraum zwischen zwei Menschen überhaupt erst ermöglicht.
Genau dort beginnt Mediation. Nicht in der Technik, nicht in der Struktur, sondern in der Art und Weise, wie Gespräch geführt wird. Die Gesprächskunst der Mediation ist weniger Methode als Haltung – und sie bildet zugleich eine der inneren Achsen im Ad_Monter Meta Modell (A_MMM): vom eigenen Erleben (c-me) über den Beziehungskosmos (c-us) hin zu den Gestaltungsschritten (c-it²), die erst dann möglich werden, wenn ein echtes Gespräch stattfindet.
Gespräch als Kernkompetenz der Mediation
Mediation wird oft über Phasen, Abläufe und Methoden beschrieben. Doch im Kern ist sie eine Gesprächsform – eine, die sich bewusst vom Alltäglichen unterscheidet. Wo alltägliche Gespräche häufig auf Überzeugung, Erklärung oder Selbstbehauptung zielen, setzt Mediation auf Ko-Kreation: ein gemeinsames Erarbeiten von Sinn, Verständnis und Möglichkeiten.
Gespräch ist hier kein rhetorischer Austausch, sondern ein Feld. Ein Resonanzraum, der sich erst öffnet, wenn beide Beteiligten bereit sind, zuzuhören, bevor sie antworten – und zu sprechen, um zu klären, nicht um zu gewinnen.
Die Gesprächskunst der Mediation besteht darin, diesen Raum zu halten.
Das dialogische Dreieck: Selbstklärung – Beziehung – Gegenstand
Im Mediationsprozess bewegt sich jedes Gespräch in einem Dreieck, das das Ad_Monter Meta Modell (A_MMM) sichtbar macht:
- c-me: Was geschieht in mir, wenn ich den anderen höre? Welche Emotionen, Erwartungen, Bilder tauchen auf?
- c-us: Was geschieht zwischen uns? Wird der Raum weiter, enger, klarer, gereizter?
- c-it¹ / c-it²: Was ist der Gegenstand – und wie wird er verhandelbar? Was liegt faktisch vor (c-it¹) und was lässt sich gestalten (c-it²)?
Gelingende Mediation ist die Kunst, diese drei Perspektiven gleichzeitig im Blick zu behalten – und das Gespräch so zu führen, dass keine der drei Ebenen die anderen überlagert oder verdrängt.
Zuhören als mediativer Akt
In der Mediation bedeutet Zuhören nicht nur, die Worte des anderen aufzunehmen. Es bedeutet:
- den inneren Deutungsstrom zu bemerken,
- die eigenen Reaktionsimpulse zu sortieren,
- den Raum offen zu halten, bis das Gemeinte erkennbar wird.
Zuhören ist damit ein aktiver Prozess. Er schafft jene Verlangsamung, die notwendig ist, damit sich Verstehen entwickeln kann – ein Verstehen, das nicht Zustimmung meint, sondern ein gemeinsames Verständnis der Situation.
Im A_MMM entspricht dieser Schritt der Bewegung entlang der oberen Achse: vom Erleben (c-me) zum klaren Blick auf das, was tatsächlich vorliegt (c-it¹). Erst wenn diese Spannung gehalten wird, wird Dialog möglich.
Sprechen, das nicht schließt – sondern öffnet
Auch das Sprechen in der Mediation unterscheidet sich vom Alltag. Es dient nicht:
- dem Sieg,
- der Verteidigung,
- der Durchsetzung,
- oder dem eigenen Narrativ.
Sprechen in der Mediation hat eine andere Aufgabe: Es soll verständlich machen, nicht überwältigen. Damit wird Sprache zum Werkzeug der Selbsterklärung – und gleichzeitig zur Einladung an den anderen, sich einzulassen.
Diese Form des Sprechens ist keine Technik, sondern eine Haltung. Sie setzt voraus, dass der Mediator den Raum so strukturiert, dass die Beteiligten nicht auf Positionen zurückfallen, sondern über Bedeutungen sprechen können.
Im A_MMM ist das der Schritt von c-us → c-it²: Die Beziehung trägt – und macht Gestaltung möglich.
Der Moment, in dem Gespräch zu Möglichkeit wird
In jeder Mediation gibt es den Augenblick, in dem das Gespräch kippt: von der Reaktion zur Reflexion, von der Verteidigung zur Erklärung, vom Gegeneinander zum gemeinsamen Problemverständnis.
Dieser Moment ist selten spektakulär. Er zeigt sich leise, fast unmerklich: im Atem, im Tempo, im ersten Satz, der nicht gegen etwas gesagt wird, sondern für etwas.
Dieser Übergang ist der Kern mediativ geführter Gespräche. Er entsteht nicht durch Technik, sondern durch Haltung – jene Haltung, die im Ad_Monter Meta Modell (A_MMM) als die innere Grundbewegung des Verfahrens beschrieben wird:
- Verstehen (c-it¹) – Was liegt vor?
- Begegnen (c-me / c-us) – Was berührt? Was verbindet?
- Gestalten (c-it²) – Was wird dadurch möglich?
Gesprächskunst heißt: dem Prozess vertrauen
Die Mediatorin oder der Mediator führt das Gespräch nicht inhaltlich, sondern strukturell. Sie halten:
- das Tempo,
- den Fokus,
- die Sicherheit des Raums,
- und die Übergänge zwischen den Feldern.
Gelingende Gesprächsführung in der Mediation ist deshalb keine Frage der Schlagfertigkeit, sondern der Resonanzkompetenz: der Fähigkeit, ein System zu hören – und es zugleich in Bewegung zu bringen.
Conclusio
Gesprächskunst in der Mediation heißt nicht, eloquent zu sein. Sie heißt, Räume zu öffnen, in denen Menschen sich selbst, einander und den Konflikt auf neue Weise verstehen können. Und sie heißt, jene dialogische Achse zu kultivieren, die das Ad_Monter Meta Modell (A_MMM) sichtbar macht: vom Erleben über die Beziehung hin zur Gestaltung.
Wo diese Achse trägt, wird Mediation zu mehr als einem Verfahren.
Sie wird zu einer Form des gemeinsamen Denkens.
Und manchmal – zu einer Form des gemeinsamen Wandels.